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Der Kontaktsport des Stafylidis

Konstantinos Stafylidis bekommt nach seinem bösen Tritt gegen Freiburgs Roland Sallai also drei Spiele Sperre. Wir sagen: zu wenig – und müssen uns indes über den Einspruch des VfL Bochum doch sehr wundern. Dass der eigene Trainer auf die Aktion mit einem spontanen Scheibenwischer reagierte, steht stellvertretetend für die Bewertung der Szene. Dabei ist daran zu erinnern, dass der Name Stafylidis bereits in der Vergangenheit durch genau solche Aktionen Bekanntheit erfuhr.

Breel Embolo, damals 19 Jahre jung und bei S04 unter Vertrag, fand sich im Oktober 2016 nach einem Horror-Foul von Stafylidis im Krankenhaus mit Brüchen von Sprunggelenk und Wadenbein sowie Rissen des Syndesmose- und eines Innenbandes wieder. Nach mehreren Rückschlägen in der Reha stand bei Embolo zeitweilig der Status der Invalidität im Raum, das Karriereende war ein realistisches Szenario. Der Aufreger damals und noch ohne VAR: Stafylidis bekam lediglich die gelbe Karte. „Ich kenne den Spieler und weiß, dass er seine Gedanken nicht koordiniert. […] Absicht unterstelle ich ihm nicht – aber Dummheit“, kommentierte Schalkes damaliger Coach Weinzierl.
Wochen nach dem Foul und einer persönlichen Entschuldigung per SMS an Embolo machte der Grieche damals klar: „Wenn man die Bilder sieht, wird noch einmal deutlich, dass das keine Absicht, sondern ein Unfall war. So leid es mir tut, aber Fußball ist Kontaktsport, da passieren leider Verletzungen (…) Deswegen habe ich meine Spielweise nicht geändert.“ Nach solch einem Foul von „Kontaktsport“ zu sprechen, bedurfte schon damals fehlende Selbsteinschätzung und Demut.

Verstehen wir uns nicht falsch: Es geht hier um keine Hexenjagd, aber doch sehr wohl um die Frage, ob der Begriff des Wiederholungstäters vom DFB nur trocken nach Statuten, also bei mehrmaligen Platzverweisen angewandt werden, oder in einem Handlungsspielraum erzieherischer und präventiver Maßnahmen greifen sollte. Vielleicht würde Stafylidis ja dann seine Spielweise ändern.

M’Gladbach mit Schalker Dynamiken

„Der BMG-S04-Vergleich hinkt!“, schrieb uns ein User. Warum uns also die Entwicklung von Borussia Mönchengladbach an die des FC Schalke 04 erinnert? Die gleichen Dynamiken, die gleiche Selbstzerstörung, die gleichen Charaktere in der Mannschaft, die gleichen Ziele, die gleichen Vier-Jahres-Pläne. Und dann diesen hochprozentigen Mix aus Tradition und Historie auf den Schultern! Und Trainer, die dachten, den nächstgrößeren Schritt zu machen und jetzt allein dastehen. Und nach zwei, drei Niederlagen versuchen den Hals aus der Schlinge zu ziehen, indem man sich reagierend nach Gegner und Spieltag und Situation richtet. Mit einem Kader, bei dem jeder schon alles gespielt hat, aber jeder nur das eine spielen will. Und ein überforderter Aufsichtsrat, der hilf- und tatenlos zuguckt und nun vielleicht merkt, dass der sportliche Vorstand über die Jahre hinweg mächtiger wurde als man selbst. Und ein Wechsel von Managern, die entweder fliehen oder aber die Zeichen der Zeit erkannt haben. Und gestandene Spieler, die sich vors Mikrofon stellen und glaubhaft verzweifeln (Stindl, Stambouli). Und durchaus gute Fußballer, die dir aus einer 2:0-Führung auch ein 4:0 kredenzen, aber bei Rückständen versagen, sich selbst jedoch in der Champions League sehen (Plea, Raman, Thuram, Konoplyanka, Bénes, Bentaleb, Zakaria, Harit, Bensebaini, Schöpf, Oczipka, Elvedi, Serdar). Und diese internationalen Plätze, die so weit weg sind und mit denen man so fest kalkuliert hat. Pardon, spekuliert hat. Und Fans, die gedanklich gerade erst aus Europa zurückkommen. Und sowieso, dieses Geld, das plötzlich gar keins ist. Nur über eines kann BMG froh: kein Tönnies weit und breit.

Jetzt ihr. Sehr gerne.

Ein Vertrag wie ein Sargnagel

Kurz über einen ausgiebigen Artikel bezüglich Julian Draxler nachgedacht, doch dann schulterzuckend abgelehnt. Es ist alles gesagt über falsche Berater, Selbstüberschätzung und schlechte Entscheidungen zu noch schlechteren Zeitpunkten. Haben ihn unter Magath live gesehen und einfach nur gestaunt. Seine erste Bude im DFB-Pokal gegen Nürnberg, pah, was für ein Wahnsinn! Was für ein Talent! Wie kann ein Junge so viel in die Wiege gelegt bekommen? Ein Übersteiger hier, ein doppelter da, zack, vorbei, schnell, kreativ, verwegen, alles beim ihm sah so verdammt leicht aus. Dieser Bub wird Deutschlands neues Wunderkind, da gab es von Kurve und Medien keine Zweifel.

Dann zwei, drei Mal falsch abgebogen, zu hoch gepokert, Schlangen im Ohr, Verletzungen in Serie, Hauptsache Quantensprünge statt step by step. In Gelsenkirchen zu viel Druck, doch selbst auch die „10“ gefordert, dann nur noch weg, in Wolfsburg ohne Glanz und Konstanz, in Paris meist auf der Bank. Von Löw zurecht nicht für die EM nominiert, wirkt die Vertragsverlängerung bei PSG wie ein Sargnagel. Karriere vorbei, denkt man. Über einen 27-Jährigen! Wer wird sich an Draxler in zehn Jahren erinnern? Über welche Titel und Erfolge wird man reden?

2011: Julian Draxler über den Köpfen von Papadopoulos und
Raúl. Zuvor hatte der 17-Jährige in Minute 119 den Siegtreffer erzielt und Schalke ins DFB-Halbfinale geführt.

Im Geld schwimmen und bei PSG kicken ist das Eine. Niemand wird sagen: Hey Jule, du hast in deinem Leben nichts erreicht, ganz im Gegenteil. Doch viele werden sich erinnern an dieses gewisse Etwas, das nur ganz, ganz Wenigen auf dieser Welt in die Füße gelegt wird, und dann denken: Was ist das im Endeffekt doch alles traurig. Wir gehören dazu.

Lehmann: nur eine logische Folge

Kurz über Jens Lehmann nachgedacht und entschieden es nicht auch noch umfangreich zu diskutieren oder gar zu analysieren. Weil es einfach nichts zu diskutieren gibt. Jeder Mensch, der sich in den letzten Jahren halbwegs mit Fußball und daher leider zwangsläufig mit dem Kerl beschäftigen musste weiß, dass da gehörig was schiefläuft in der Birne.

Man muss sich nur mal an seine einstige Aussage über das gemeinsame Duschen mit Hitzlsberger erinnern, „dass man da (nicht) hätte denken können, da ist irgendetwas.“ Auf Schalke schämt man sich längst fremd über die Auftritte des Eurofighters, was über den Charakter eines verdienten Spielers generell viel aussagt. Nicht zu vergessen der Alu-Kommentar zu Corona im Dezember. Deshalb verwundert so eine Nachricht an Aogo nicht, sondern ist letzten Endes nur eine logische Folge.
Regen wir uns also nicht weiter drüber auf. Wichtig ist nur, dass Hertha umgehend reagiert hat. Er soll einfach wieder wie damals mit der Straßenbahn nach Hause fahren und den Mund halten. Vielleicht hilft das ja dem Verstand.

Ein Tag für die Geschichtsbücher

Was ein Tag gestern. Binnen Stunden bricht der ganze Super-League-Putsch in sich zusammen und es interessiert niemanden auch nur die Bohne, dass David Alaba inmitten dieses Sturms offiziell bei einem Club einen Vertrag bis 2026 unterschreibt,  der dann nach eigenen Aussagen seit zwei Jahren tot ist.

Petr Cech muss an der Bridge die aufgewühlte Meute beruhigen, Gary Neville sendet Herzen und stößt genüsslich mit Wein an, Jordan Henderson wird zum Feuerwehrmann der Herzen, Ed Woodward zum fliehenden Vice-Chairman. Und Kevin de Bruyne ist ein kleiner Junge aus Belgien, der einfach nur spielen will. Fazit soziale Medien: der Hype war schneller vorbei als bei Clubhouse. Abwarten. Vor allem auf die Saubermänner von UEFA und FIFA.

Nebenbei steigt Schalke nach dreißig Jahren Bundesliga in die zweite Liga ab und den armen Ulli Potofski traf das offensichtlich härter als manchen blau-weißen Spieler. Gerald Asamoah will man hingegen einfach nur umarmen. Football bloody hell! In jedem Fall wird es namentlich eine zweite Liga der Marke Super League.

Was war noch? Achso, die Druckerpressen der Corriero dello Sport liefen bereits, als die Super League in England in Flammen aufging. Inhalt des heute erscheinenden Aufmachers ist ein Interview mit Andrea Agnelli, warum die Super League superduper funktionieren wird. Vielleicht ist Print wie der gute, alte Fußball – nicht immer aktuell, aber mit der nötigen Romantik gesegnet.