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Hatte alles Kopf und Fuß

Puh, Relegation hat inzwischen auch seine eigenen Gesetze und dazu gehört ganz sicher, dass es Fußball der Marke Baumstammwerfen ist. Aber ok, es geht um Alles und nicht um Schönheit, wer also bei #KOEKSV eine Augenweide erwartete, hat den Pressschlag nicht gehört. Trotzdem ist nach Spiel eins festzuhalten, dass es Köln halt wie erwartet gemacht hat: irgendwie bemüht, irgendwie optisch überlegen und irgendwie mit Kampf, doch vor allem in puncto Kreativität bemitleidenswert. Aus dem Zentrum zudem kein Tempo und noch weniger Ideen. Fazit ist schlimm, aber leider klar: der Effzeh spielt im Rahmen seiner personellen Möglichkeiten.

Vor Holstein Kiel hingegen kann man nur den Hut ziehen. So viele Partien in so kurzer Zeit so erfolgreich zu absolvieren, ist ein Beweis für eine mental richtig intakte Truppe. Vor allem die fünffache Ohrfeige in Dortmund haben wir als Vorzeichen für eine fallende Leistungskurve gewertet. Doch statt Panik oder Aufgabe, hat Ole Werner die nordische Kühle in der Kabine bewahrt. Heute zwar nicht sonderlich gefährlich, doch das, was die Störche auf dem Grün fabrizierten, hatte immer Kopf und Fuß und wirkte äußerst unaufgeregt. Ja, ein Remis wäre ok gewesen, doch unverdient ist der Sieg (inklusive Lattenschuss) sicher nicht. Außerdem gibt es beim Baumstammwerfen kein Unentschieden.

Grillfest mit Extrawürsten

Obwohl es den „Störchen“ erlaubt ist, verzichtet Holstein Kiel also auf Publikum beim Saisonfinale gegen Darmstadt 98. Bei einem Spiel, in dem jeder Schrei und jedes Klatschen bei dem Husarenstück helfen könnte, als erster Verein Schleswig-Holsteins in die Bundesliga aufzusteigen. Das ist lobenswert wie heldenhaft, weil sich ein Verein die viel zitierten und x-fach durchgebratenen Extrawürste des Profifußballs während der Pandemie endlich einmal nicht auf den Teller legt. Und was machen andere Clubs? Statt die Saison demütig auslaufen zu lassen, werden kurz vor Ladenschluss die Schreibtische auf links gedreht, um irgendwie und möglichst maximal die Stadien mit Menschen zu füllen. Union Berlin öffnet 2000 Fans die Türen, Hansa Rostock erwartet über 7000, beim 1. FC Köln hofft man derweil inständig auf grünes Licht.

Was ist das nur für ein unsolidarisches Verhalten gegenüber all den anderen Vereinen, bei denen aufgrund zu hoher Inzidenzen kein einziger Fan auf den Rängen denkbar ist? Offenbar gibt es „den Fußball“ doch nicht im Kollektiv, von Demut gegenüber den Fans anderer Clubs ganz zu schweigen. Obendrein kommt dieser miese Beigeschmack der Wettbewerbsverzerrung und das Erhaschen eines Vorteils gegenüber direkten Mitkonkurrenten hinzu. Nun mag der oder die andere sagen, dass das doch lobenswert und als Dankeschön für die Fans nach so einer langen Pause zu verstehen sei. Diese Sichtweise teilen wir nicht. Vielmehr empfinden wir Fremdscham bei dem Gedanken, dass manche Verantwortliche am Ende des Tages doch wieder nur auf ihr eigenes Grillfest schauen. Sinkende Inzidenzwerte sind schließlich kein Verdienst von Fußballvereinen, sondern ein Ergebnis aus gesellschaftlichem Verhalten, medizinischer Versorgung und sozialem Engagement. Ein Dankeschön wäre nur dann glaubhafter Natur, wenn man auf alle Fans verweisen würde, um so einen großen gemeinsamen Startschuss am ersten Spieltag der kommenden Saison zu feiern. Denn „weder sollte der Profifußball für sich eine Sonderrolle in der Gesellschaft reklamieren – denn auch in anderen Veranstaltungsbranchen sind derzeit keine Zuschauer zugelassen – noch möchte die KSV Holstein eine Bevorzugung gegenüber anderen Sportvereinen im Land erfahren“, wie Kiel-Boss Schneekloth sagt.


Was wäre es doch für ein versöhnliches Zeichen gewesen, wenn sich alle Profivereine abgestimmt und dem Vorbild Holstein Kiels gefolgt wären. Ein einziges Mal die Füße stillhalten, ein einziges Mal nicht auf Paragraphen und gegebenes Recht schauen. Doch so zeigt sich nun die gleiche beschämende Erkenntnis wie schon zu Beginn von Corona: Wenn Extrawürste auf dem Grill liegen, stehen manche Verantwortliche mit gewetzten Messern bereit.