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Hopp done: Lokomotiva Zagreb vs. Dinamo Zagreb 1:2

LIGA: 1. HNL, 18.09.2022, 10. Spieltag
GROUND: Kranjčevićeva
Zuschauerzahl: 3254
EINTRITT: k.a.; Freikarte durch Kontaktmann
BIER: Ožujsko, 0,4l 25 Kuna (ca. 3,50€)
BESONDERE VORKOMMNISSE: Gästekontrolle bis auf die Unterwäsche

Na zdravlje aus Zagreb! Von Kumpel Dario abgeholt worden, man kennt und liebt sich seit nunmehr acht Jahren „Punkrock Holiday“-Festival in Slowenien. Schnell gelernt, dass „Lokomotiva gegen Dinamo“ nur auf Google Maps ein Stadtderby ist. Keine Rivalität, keine Ausschreitungen, die Haupttribüne ein bunter Mix aus Alt und Jung beider Vereine. Zagreb bedeutet Dinamo, Punkt. Das merkt man nicht nur an den vielen Graffitis in allen Stadtteilen, sondern vor allem in Gesprächen mit Einheimischen. Der eigentliche Gipfel Kroatiens sind die Partien zwischen Dinamo und Hajduk, doch auch schnell durch Dario und seine Clique gelernt, dass Hajduks Supporter „much bigger“ und verrückter als die von Dinamo sind, wenngleich Dinamo der größere Club ist. Das ist kein Geheimnis, muss aber auch hinsichtlich der Stadtgröße Splits (170.000) und Zagreb (820.000) nochmal herausgestellt werden.


1921 erbaut, liegt das Stadion Kranjčevićeva sehr zentral, unweit des Busbahnhofs. Größte Kulisse war mit 18000 Zuschauern die Partie zwischen Jugoslawien und Deutschland – einen Monat nach dem Überfall auf Polen 1939. Ein Ground der ganz alten Kategorie: massive Haupttribüne, hier und da bedenklich baufällig mit erotischen Rissen in der dritten Schicht Verputz, dort dienen im Ovalen die Reihenhäuser im Rücken als Bühnenbild. Ein Schauspiel war auch der Einlass am Gästeblock, wo sich die „Bad Blue Boys“ (BBB) nach dem Drehkreuz in Einzelhaft begaben und sich teils bis auf die Unterhose auszogen. Immerhin hatte der Ordnungsdienst Matten und kleine Schuhregale bereitgestellt, währen die Scanner die Zehen abtasteten. Nach dem BBB-Marsch mit kollektivem Hitlergruß durch Mailand, standen die Ultras unter besonderer Beobachtung. Das Spiel? Nicht der Rede wert. Dinamo als Spitzenreiter mit einer 08/15-Leistung, „ein gutes Pferd“ hat sich selten so sehr den Namen verdient. Josip Drmic harmlos, aber mit vielen Kilometern, Auswechslung in Minute 86.

Ein besonderer Dank geht an Dario, dessen Sohn bei Lokomotiva in der Jugend spielt und über freundschaftliche Kontakte im Verein Karten besorgte. Furche quittierte das standesgemäß mit ein paar Rutschen Pivo.

Schicksal, also los!

Warum wir englische Fußballkultur lieben? Klar, da gibt es die bekannten Dinge wie das biblische Alter gewisser Stadien oder die angemessene Huldigung ehemaliger Spieler. Und klar haben auch der ein oder andere Pie mit aufgetauten Innereien oder die Spontanität für strophenlange, äußerst humorvolle Gesänge dazu beigetragen. Hin und wieder war man auch froh, dass ein blanker Oberkörper dem Dresscode entsprach. Doch was wir wirklich lieben, sind diese kleinen, aber sehr feinen Unterschiede in der Einstellung zum rein Sportlichen.

(Foto: Schottische Furche; Barnet F.C., 2012)

Als zum Beispiel gestern Everton im FA Cup auf Boreham Wood traf, erinnerten wir uns an ein längeres Gespräch mit zwei Villa-Fans in The Manor Tavern, einem Pub im Birmingham. Da ging es nämlich um genau das Thema, welches gerade abgepfiffen wurde: es ist Pokal und ein Erstligist empfängt (!) einen Fünftligisten. Der Tausch des Heimrechts konnte keine Diskussion auslösen, weil das für die zwei jungen Männer völlig absurd klang. Warum das Heimrecht tauschen? Was hat das mit Fairplay zu tun? Was will der Kerl von uns? Und dann beginnt man sich völlig abzuarbeiten daran, dass der kleinere Verein doch eh schon im Nachteil sei und dessen Kasse auch mal richtig schön voll würde und dass so manche Kleinstadt oder gar Provinz das „Spiel des Jahrzehnts“ bekämen. Natürlich haben die beiden verstanden, was wir meinten, doch das Verständnis für diesen Modus war gen null. Schwer zu beschreiben, außer vielleicht damit, dass man gefühlt von zwei Boxern angeschaut wurde, die einem nur durch Blicke mitteilten: „Schicksal, also los.“

Und da machte es dann doch Klick, worin so mancher Unterschied besteht. In England herrscht seit jeher – und vielleicht stammt das auch aus früher Rugby-Geschichte, als so manches Feld keine Begrenzung hatte und der Ball schonmal von Dorf zu Dorf getrieben wurde – diese banale Sicht auf das Abrufen von Leistung: Es ist egal, ob du vor vor 50000 oder 500 Leuten, bei Nebel oder Flutlicht, vor upper oder working class spielst. Und das ist weder Parole, noch Floskel. Abseits von Ball und Körper sind alles andere natürliche Gegebenheiten, die keinen Einfluss auf Sieg oder Niederlage haben. Deshalb konnten uns die beiden Villans auch nicht folgen. Tausch des Heimrechts? Was soll das? Es gibt keine gesetzten Teams, es wird gelost, bei Unentschieden gibt es ein Rückspiel. Das ist schließlich der FA Cup und nicht der Mickey Mouse Cup (League Cup). Am Ende gibt es eine grüne Wiese und du musst dich wehren. Und wenn du als Fünftligist zum Erstligisten reisen musst, ist das eben so. Everton bleibt schließlich Everton, darum geht es. Deswegen kam den beiden auch der Gedanke an Losglück- oder pech etwas komisch vor.

Es ist eine völlig andere Denke, bei der das Wesentliche im Vordergrund und das ganze Drumherum maximal als stillose Ausrede betrachtet wird. Vielleicht liegt darin auch die generelle Ablehnung gegenüber Schwalben (Klinsmann), Schauspielerei (Robben) oder Schuldzuweisungen (Guardiola). Du verlierst das Spiel? Ok, das ist mit keinem Wetter, Schiedsrichter, Klassenunterschied oder stumpfen Rasen zu erklären. Es ist allein dein Problem. Ja, das lieben wir.

Und Pubs.