Kategorie: Kulturflanke

BMH ist Relikt, ist Klassik, ist Erbe

Würdige Plattform!

Groundhopping erfreut sich endlich einer Seite, die übersichtlich und vor allem nutzerfreundlich ist. Das Wichtigste allerdings ist: als selbsernanntes „Magazin“ wird vor allem der Anspruch auf qualitative Texte in einem redaktionellen Rahmen vorgegeben. In der Web-Landschaft des Hoppens eine Rarität und deshalb von uns nur wärmstens weiter zu empfehlen!

Check: http://www.abgegrast.de/

Unbenannt

Loriot fragt nach

Loriot-Gesammelte-Prosa-Diogenes-e1314114081756[…] In Regel 4 auf Seite 21 der allgemeinen Regeln des Deutschen Fußballbundes steht: „Das Spielen ohne Schuhe ist nicht erlaubt. Aber“, so heißt es weiter, „verliert ein Spieler im Zusammenhang mit der Torerzielung einen Schuh, ist das Tor anzuerkennen.“ Klar…aber muss nun der Schuh oder der Ball ins Tor?

Und wie versteht sich Seite 40? Dort liest man: „Die Spieler dürfen ihre Freude nach einem Treffer zeigen. Sie werden jedoch vom Schiedsrichter mit einer gelben Karte verwarnt, wenn sie die Zäune hinaufklettern oder ihre Hemden ausziehen.“ Das ist nicht eindeutig. Was ist denn mit den Hosen? Darf ein freudig erregter Spieler zwar nicht das Hemd ausziehen, wohl aber die Hose fallen lassen? Wenn ja…die eigene oder die des Gegners?

Nachdenklich stimmt auch die Regel 2; sie lautet: „Wenn der Ball platzt, muss ein Spiel unterbrochen werden.“ Da fragt man sich doch: Ist der Ball wirklich so wichtig? Sicher ist, er gerät leicht ins Rollen und bringt dadurch eine ständige, aggressive Unruhe ins Spiel. Wäre es im Interesse eines friedlichen Nebeneinanders der Völker möglicherweise nicht vernünftiger, von vornherein auf den Ball zu verzichten?

(Aus: Loriot, Gesammelte Prosa. Diogenes Verlag, Zürich 2007)

Minimal Football

Niemandsland

Presseecho Lesung

…zur Lesung:

Furche liest vor!

„Wichtig is auf’m Sofa!“

Weiter geht es mit fußballbiographischen Texten aus dem Hildesheimer Uni-Seminar „Fußballkultur revisited“. Heute taucht Alexander Schröder in die Welt der Fußball-Games ab. Ob zerstörerische Wut am Controller, verlorene Cyberehre oder Rasenduft im Wohnzimmer – Zocken bedeutet Ekstase.

… „Der Ball ist polygonförmig“ und „Ein Spiel dauert zwischen 8 und 16 Minuten“. Pro Evolution Soccer, FIFA, International Superstar Soccer, Kick Off, Nintendo World Cup Soccer: Ein Spielplatz für Couchfußball nach Feierabend oder das Partywarmup mit Freunden. Doch, was haben diese Spiele eigentlich mit Schweiß, Rasenduft und Teamgeist zu tun? Wenig bis Einiges.

Champions League Sieger 2018: Hannover 96! Lionel Messi und Karim Benzema befinden sich mittlerweile in den Reihen der „Roten“ und haben gerade die beste Saison ihres Lebens hinter sich. Die geschlagenen Finalgegner vom AC Mailand lassen enttäuscht die Köpfe hängen und trotten langsam vom Platz. Ich lege den Controller zufrieden beiseite und fühle mich wie der Wegbereiter für einen längst fälligen Erfolg. Der Verein konnte meine starke Hand sehr gut gebrauchen, denn 2013 hatte es die Mannschaft von Hannover gerade einmal so in die obere Tabellenhälfte geschafft. Der Europa-League-Traum platzte im Winter bei einer herben Niederlage gegen Anschi Machatschkala und Probleme zwischen Fans und Präsident hatten ein raues Klima in der Landeshauptstadt entstehen lassen. Zwei Wochen nach dem letzten Spieltag der Bundesliga ist der große Erfolg jedoch da: Die Fans sind zufrieden und die Zukunft sieht rosig aus. Der Schwierigkeitsstufe „Halbprofi“ sei Dank.

FIFA Textbild Schröder

Auf „Halbprofi“ ist der Computergegner der FIFA-Spiele meist sehr gnädig gegenüber dem Spieler und verzeiht ihm grobe Fehler und verpasste Chancen. Die meisten Spiele kann man selbst mit unterlegenen Mannschaften oft sehr hoch für sich entscheiden. Als Spieler wählt man aus, wie stark die eigenen Gegner sind. Hannover konnte daher mit Leichtigkeit gegen Anschi und Mailand bestehen. Eine zu niedrige Schwierigkeitsstufe kann auf Dauer aber ermüdend und langweilig werden. Spieler brauchen Herausforderungen und Wettkämpfe. Sucht man den Wettstreit in Fußball-Simulationen, so findet man sich schnell in On- und Offline-Spielen gegen menschliche Gegner wieder. Egal ob gegen Freunde oder gegen Fremde, die Spannung steigt, wenn man etwas so wichtiges wie die Ehre verlieren kann.

Meine letztes FIFA-Turnier mit Freunden wurde jäh unterbrochen, als ein wütender Nachbar klingelte und sich über den Lärm beschwerte, den wir veranstalteten. Welchen Krach die Jubel- und Frustschreie, die geworfenen Controller und Einrichtungsgegenstände machten, wurde uns erst später klar. Das Zimmer war zum Schlachtfeld geworden. In zwei Stunden waren Freundschaften gekündigt und wieder neu geschlossen worden, Mannschaften wurden verflucht und geliebt, Ehre wurde verdient und verspielt.

Fußball-Simulationen kommen ihrem Vorbild recht nahe, wenn man mit ihnen in einen Wettstreit eintritt, der dem Bolzplatzkick von seiner Intensität und Härte durchaus sehr nahe kommen kann. Im Wettstreit wird geschwitzt und gestritten, auf Schultern geklopft und gejubelt. Die Namen der Spieler auf dem virtuellen Platz werden genauso unwichtig, wie die Rückennummern der Spieler auf dem Bolzplatz. Es geht nur noch um das Ziel, den Gegner zu besiegen, ob 1-gegen-1 oder 11-gegen-11. Denn in der Rivalität des Sports liegt der Kern der Emotionen, die Fußballfans und -Spieler ihren Mannschaften jede Woche mit in das Stadion und auf den Platz bringen.

Diese Emotionalität wurde durch die Mehrspieler-Option in Fußball-Simulationen gut in die heimischen Wohnzimmer übertragen. Der Rahmen des Spiels ist zwar weitaus kleiner, aber dennoch sind die Emotionen vergleichbar. Denn: Auch wenn Hannover in der nächsten Saison nicht international spielen wird, so wird es sich dennoch wie ein Champions League-Gewinn anfühlen, wenn 96 die Eintracht wieder in die zweite Liga entlässt.

(Uni Hildesheim, Juni 2013; Alexander Schröders Gaming-Blog findet ihr hier: http://anothervideospielblog.wordpress.com)

a-a-b-b feat. a-b-a-b

Nur heiße Luft

Gestern um 23:15Uhr zeigte der NDR den Film „Gegengerade – Niemand siegt am Millerntor“. Da die Furche den Film bereits bei seiner Uraufführung mitverfolgte, schaute sie ihn nicht noch einmal. Warum dieser Film für uns zum „One-Night-Watch“ gehört und mit Fußballkultur so viel zu tun hat wie Moritz Bleibtreu mit Punk, erklärt Christian Spillar in seiner treffenden Filmkritik. (Zeit Online, 27.03.11). Das einzige was bleibt ist ein Streifen für jene, die es laut, anarchisch und wild lieben. Vielleicht reicht dies ja dem ein oder anderen. Für jene gibt es den Film komplett auf Youtube.

Spillar: http://www.zeit.de/kultur/film/2011-03/film-gegengerade

Film: http://www.youtube.com/watch?v=AgwLKfQJjzE

Durch den Tunnel ins Spiel

Dritter fußballbiographischer Text aus dem Hildesheimer Uni-Seminar „Fußballkultur revisited“. Heute ein Essay von Stephan Meier über die Faszination Spielertunnel: „Es macht einen großen Unterschied, ob man zu einem Spielfeld aus den Katakomben heraufsteigt oder eine schmale, kleine Treppe hinabgeht.“

Noch zu DM-Zeiten war ich in München. Ich weiß nicht mehr genau, in welchem Jahr es genau war, sondern nur noch, dass ich, um das Münchener Olympiastadion anzusehen, 50 Pfennig Eintritt bezahlen musste. Ich schritt nun gemächlich durchs Stadion und durch den gesamten Olympiapark. Hier war Sportgeschichte geschrieben worden, das wusste ich nicht nur, seitdem mein Mathematiklehrer uns erzählt hatte, wie er 1972 bei der Olympiade als Vermesser oder Messhilfe an diesem Ereignis teilgenommen hatte. Das wunderschön geschwungene Dach des Stadions zu sehen, war für mich in Kinderjahren ein Traum und die Faszination für halbüberdachte Stadien war in mir geboren. Nicht zuletzt dadurch, dass mein erster Stadionbesuch in Hannover im Niedersachenstadion auch dadurch geprägt war, dass nur die Haupttribüne überdacht war und ich im Regen stehen musste.

Der Blick ins Weite, über den Tellerrand des Runds herüber, die Flutlichtmasten deutlich zu sehen, die diese, nicht nur für ein Kind, gewaltige Architektur umrahmte. Der Spielertunnel, durch den die Spieler in den Innenraum treten mussten, war das, was mich am meisten am alten Niedersachsenstadion begeisterte. Der Tunnel war eine schmale Röhre aus Plexiglas, die an der Seite der Osttribüne, also der kleinsten Tribüne des Stadions, hinab lief. Oberhalb des Tunnels befand sich ein relativ breiter Turm, der die sehr flache Tribüne überragte. Der Tunnel selbst war fast genauso lang wie die Tribüne tief ist, schätzungsweise 17-20 Meter. Dadurch, dass die Röhre nur so schmal war, dass maximal zwei Menschen sehr eng nebeneinander durch sie hindurchgehen konnten, hatte sie in meiner Vorstellung immer eine besondere konzentrations- und motivationsschaffende Eigenschaft. Leider hatte ich nie die Möglichkeit in die Rolle eines Spielers zu schlüpfen und den Tunnel auf dem Weg zum Spielfeld einmal zu durchschreiten. Aber ich stellte mir immer vor, wie es wohl gewesen sein muss durch diesen Tunnel gehen zu müssen oder zu dürfen.

Schaue ich mir heute zum Vergleich Spielertunnel aus anderen Stadien an oder den neuen im Niedersachsenstadion, scheint es mir, als dass der schmale Tunnel früher verstärkt einen gewissen Druck auf die Psyche eines jeden einzelnen Spielers auf dem Weg zum Spielfeld aufgebaut hat. Der Spielertunnel im Olympiastadion von Berlin, der mir durch Zinedine Zidane aus dem Weltmeisterschaftsfinale 2006 noch gut in Erinnerung geblieben ist, steht durch seine breite Treppe, die nach unten führt, in einem räumlichen Gegensatz zum Tunnel aus dem alten Niedersachsenstadion. Es macht für mich außerdem auch einen großen Unterschied, ob man zu einem Spielfeld gewissermaßen aus den Katakomben heraufsteigt oder eine schmale, kleine Treppe hinabgeht. Die Inszenierung für den Auftritt auf die „Bühne“ Spielfeld wird im amerikanischen Sport zum Beispiel viel aufwendiger und pompöser, teils auch in Begleitung von Cheerleadern ausgeführt. Die Sportler betreten durch eine Art Torbogen die Arena, was im europäischen Fußball auch zu einer Art Modeerscheinung geworden ist.

Der alte Charme ist also ausgegangen aus dem Niedersachsenstadion, welches ja nun auch „Arena“ heißt. Ein prachtvoller, starrer Betonklotz hat in der neuen Architektur Einzug erhalten, sowie auch in vielen anderen Kultstadien in Deutschland und England. Stehplätze wurden durch Sitzschalen ersetzt und auf den teureren Plätzen sind sogar bequeme Stühle installiert worden. Natürlich sind marode Holzkonstruktionen aus Sicherheitsgründen entfernt worden. Jedoch ist auch etwas verloren gegangen, was nicht wieder aufzubauen ist. Für viele Stadionbesucher stellte das Niedersachsenstadion eine Art Festung dar, in der etliche Kämpfe ausgetragen wurden, ob nun von Club- oder Nationalmannschaften. Was für mich aber emotional am Schlimmsten wiegt, ist die Tatsache, dass der Spielertunnel fehlt und die Spieler nun durch einen breiten Gang, mit aufrechter Brust und stolzem Siegeswillen ins Stadion hineintreten. Es ist nicht mehr wie früher, dass die Spieler ehrwürdig gebückt und dicht gedrängt, von allen beobachtet, jedoch selbst niemanden richtig erblickend durch die Röhre gehen. Dieses Bild, den einen Mannschaftskameraden vor mir und direkt hinter mir den nächsten, ohne die Möglichkeit zu haben aus Angst wieder zurücklaufen zu können, demonstriert für mich den Mut, sportliche Herausforderungen anzunehmen und machte für mich jedes Fußballspiel im Niedersachsenstadion besonders.

(Stephan Meier, Uni Hildesheim, Juni 2013)

Respekt, Rot-Weiß Erfurt!

Vor dem 3:3 des Rot-Weiß Erfurt bei Preußen Münster entrollten deren Fans ein Banner für die Ewigkeit. Münster-Fan Robert war vor Ort und antwortete uns auf die Frage nach Reaktionen: „In den sozialen Netzwerken im Nachhinein sehr gut. Im Stadion erst viel Applaus, dann wurde aber schnell „Erfurt Schweine“ angestimmt. Naja, das war dann mehr aus Ironie und man hat dabei gelacht. Ich fands überflüssig.“

So oder so – Daumen hoch, Rot-Weiß Erfurt und Respekt vor so viel Nächstenliebe!

Erfurt Banner

Nach Tradition handeln

Was ist eigentlich diese „Tradition“, von der alle immer reden? Zum Beispiel definiert sie Vereine, die dazu verpflichtet sind nach den Werten ihrer Vergangenheit zu handeln. Schalke 04 war wie kaum eine andere deutsche Mannschaft durch den Nationalsozialismus beeinflusst. Dazu zählen u.a. sechs Meisterschaftstitel zwischen 1937 und 1942. Einer jener „Knappen“ war Adolf „Ala“ Urban, Sohn ostpreußischer Einwanderer. Nach Kriegsbeginn wurde Urban direkt an die Ostfront beordert. Am 27. Mai fiel der Nationalspieler und Rechtsaußen des berühmten „Schalker Kreisels“ in der Nähe von Leningrad im Alter von 29 Jahren. Nun holt der Club ihn nach Hause. Beeindruckend.

(Quelle: Vereinsmagazin "Schalker Kreisel"; Ausgabe 1 Saison 13/14, S. 54+55)

(Quelle: Vereinsmagazin „Schalker Kreisel“; Ausgabe 1 Saison 13/14, S. 54+55)

 

„Ob Papa mal mitkommen wird? Ich glaube nicht…“

Weiter geht es mit fußballbiographischen Texten aus dem Hildesheimer Uni-Seminar „Fußballkultur revisited“. Dieses Mal ein Text von Philipp Hecht über das „erste Mal“ mit Eintracht Braunschweig,  1:4-Klatschen gegen Wuppertal, zwischenzeitlichen Stadionverboten und Fahrten zur polnischen Grenze während der Schulzeit.  

DAS ERSTE MAL MIT EINEM MÄDCHEN

Seit einigen Minuten schaue ich auf die Tabelle der 2. Bundesliga. Eintracht Braunschweig Platz 2. In der zweiten Bundesliga. Eintracht Braunschweig 2. Platz. Ich blicke kritisch meinem Laptop entgegen. Ist das auch wirklich kein Anzeigefehler? Irgendwo in Südeuropa, fernab von der Heimat entsinne ich mich und blicke zurück.

Mein erstes Spiel im Stadion an der Hamburger Straße fand im Jahre 2005 statt – gegen die Amateure vom Hamburger SV. Eigentlich wollte ich schon immer in der Aufstiegssaison 2001/2002 ins Stadion. Doch gab es in meiner Verwandtschaft keinen großen Bruder, Cousin oder Onkel, der zu dieser Zeit regelmäßig ins Stadion fuhr und auf mich Pimpf hätte Acht gegeben. Mein Papa war zwar auch Sympathisant, aber sein letzter Stadionbesuch zu Bundesligazeiten gegen Eintracht Frankfurt war lange verjährt.

So war es ein Mädchen, mit dem ich das erste Mal die magischen Stufen von Block 9 aufstieg. Nach dem ersten Spiel folgten unzählige weitere Heimspielbesuche, bereits mein drittes Spiel war das Aufstiegsspiel zur 2. Bundesliga gegen die Amateure von Arminia Bielefeld. Die komplette Nordkurve samt Gästebereich konnte mit Anhängern der Blau-Gelben gefüllt werden. Wir standen diesmal nur in Block 5, aber immerhin noch in der Südkurve – hätte ja auch schlimmer kommen können… Eintracht schaffte nach einem ähnlich spektakulären Finale wie im Jahre 2002 den erneuten Aufstieg. 2. Bundesliga, das ist doch was. In Braunschweig feierte man es wie den Gewinn der Deutschen Meisterschaft und des Europa-Cups zugleich.

FREITAGSABENDS AN DER POLNISCHEN GRENZE

Nun ein halbes Jahr später – zurück in Deutschland – sitze ich im Auto auf dem Weg nach Berlin, Olympiastadion, Montagabend, Topspiel. Die A2 zwischen Peine und Berlin-Charlottenburg ist von Autos mit blau-gelben Fanutensilien gesäumt. In jedem dritten Auto ist ein Eintracht-Schal auf der Rückbank zu erkennen, die rechte Fahrspur, gesäumt von LKWs meist osteuropäischer Herkunft, wird aufgelockert durch Reisebusse mit Kennzeichen aus dem Braunschweiger Land.

Es werden Geschichten ausgetauscht. „Was man sich auch für Kicks angeschaut hat…“ Als unser Fahrer berichtet, dass sein letztes Auswärtsspiel irgendwann in den 90ern beim TuS Celle in der Regionalliga gewesen sei – damals seien auch 10.000 mitgefahren – plaudere auch ich aus dem Nähkästchen. Jetzt, so kurz vor dem Sprung in die erste Liga, für meine Generation das erste Mal überhaupt, steigt ein Gefühl in einem auf, das Bestätigung gibt. Bestätigung, dafür, seinen Freitag mit Auswärtsfahrten des BTSV gegen die zweite Mannschaft von Energie Cottbus zu verbringen. Parallel hatte die erste Mannschaft von Energie ein Auswärtsspiel in Nürnberg, somit waren die 300 mitgereisten Braunschweiger die einzigen Fans im Stadion der Freundschaft. Wir wurden vom Ordnerpersonal nach deren besten Möglichkeiten von Kopf bis Fuß durchsucht, um später mit einer 1:0 Niederlage den Heimweg anzutreten. Der Busfahrer verpasste die richtige Ausfahrt und wir „Zonengrenzgebiet’ler“, früher aus dem Bus ausgestiegen, mussten von der Ausfahrt-Helmstedt-West im strömenden Regen gen Stadt laufen, da unser Abholdienst an der Ausfahrt Zentrum wartete. Um halb 3 nachts erreichte ich völlig durchnässt mein Auto, das ich nach der Schule um 13 Uhr am Bahnhof abgestellt hatte, um von dort aus nach Braunschweig zum Treffpunkt zu fahren. Mitschüler waren nachmittags zum Sport und abends in eine Bar gegangen, ich schaute mir lieber einen grottigen Drittligakick nahe der polnischen Grenze an. Ich selbst erkannte in diesem Moment meine allmählich extrem werdende Hingabe zum blau-gelben „Virus“.

DER TRAUM VON LIGA 1

Saison 2008/2009. Als man bald darauf Zuhause gegen den Wuppertaler SV auch noch 1:4 verlor, verließen wir den Fanblock. So eine Schmach ging den meisten Ultras, in deren Dunstkreis ich mich zu der Zeit befand, eben auch zu weit. Gerade so schaffte man den Verbleib in der neu gegründeten 3. Liga mit dem Erreichen von Platz 13. Thorsten Lieberknecht, einstiger Eintracht-Spieler, übernahm die Leitung der Mannschaft, zu Beginn nur mit einer A-Lizenz. Bald darauf wurde Marc Arnold, der ebenfalls früherer BTSV-Akteur gewesen war, sportlicher Leiter und auch Eintracht-Torschützenlegende Jürgen Rische erweiterte das Trainer-Team. Mit einem neuen dynamischen Konzept schaffte es der Verein in Kürze seine Schulden zu begleichen und wirtschaftlich wieder besser dazustehen. Auch sportlich ging es seitdem bergauf und das einstige Stadion an der Hamburger Straße bekam mit Hilfe von Sponsoren den Namen „Eintracht-Stadion“ zurück, eine traditionelle Seltenheit in der kommerzialisierten Profifußballwelt. Nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga folgte eine gute Saison, die man auf dem 6. Platz beendete. Als Aufsteiger! Und jetzt: Platz 2. Da steht wirklich Platz 2 – 12 Punkte Vorsprung vor Lautern und Köln, einen Zähler hinter Hertha.

Auch wenn das Auswärtsspiel in Berlin mit 3:0 verloren ging. Wichtig bleibt beim BTSV nur eines: eben jene Eintracht. Der Verein an sich, aber eben auch Eintracht unter den Fans. Wenn über 10.000 Braunschweiger an einem Montag Zeit aufbringen, um ein Spiel, bei dem kaum eine Gewinnchance gesehen wurde, live mitzuerleben, möchte man sich nur zu gern vorstellen, wie blau-gelbe Fahnen wieder die 1. Bundesliga bereichern. In Braunschweig singt man seit Wochen vom „Traum von Liga 1“. Wird er Realität?

WORUM ES EIGENTLICH GEHT

Selbst wenn ich schon seit längerem keine Dauerkarte mehr besitze, schon lange keinen Kontakt mehr zur Ultraszene habe und durch ein zwischenzeitliches örtliches Stadionverbot auf Bewährung – keine Klopperei, nur Protest – die Lust an Heimspielen verloren habe (ganz davon abgesehen, dass es nahezu unmöglich ist überhaupt Karten für die Heimspiele zu bekommen). In der ersten Liga reizt es einen doch an Wochenenden durch die Republik zu reisen, 10 Stunden in der Mitte der Rückbank eines VW Polo, eingeengt zwischen zwei stämmigen Mitfahrern, zu sitzen oder mit überfüllten Regionalzügen an abgelegene Orte Deutschlands zu reisen, stets umgeben von betrunkenen, grölenden Fans. Nach Bier, Schweiß und Zigarettenrauch riechend und ohne Stimme nachts um 2 Uhr wieder in Braunschweig anzukommen, dort auf den ersten Zug zu warten und morgens um 6 Uhr nach einer gefühlten Weltreise ins Bett zu fallen mit der Gewissheit, dass unser BTSV wahrscheinlich sowieso schon wieder nach einer Saison sang- und klanglos mit höchstens 15 Punkten den Heimweg in Liga 2 antreten wird.

Ja, da bin ich dabei! Ob Papa mal mitkommen wird? Ich glaube nicht…

(Philipp Hecht, Uni Hildesheim, Juni 2013)

 

Buzins Briefmarke 1984

Briefmarke Ruanda_Buzin

Die Geschichte zu dieser Briefmarke: André Buzin, geboren 1946 in Dinant, ist ein belgischer Künstler, der eigentlich nur Tiere und Blumen malt. Die bedeutendsten seiner Arbeiten findet man auf Briefmarken wieder. Seine erste Marke zeichnete er 1984 für Zaire. Für Ruanda schuf er ebenfalls einige Serien über Tiere und…die Olympischen Sommerspiele 1984. Dass der Fußball bei Olympischen Spielen eher Thekenturniercharakter besitzt, war schon damals nichts Neues. So kam es am 29. Juli im Harvard Stadium (Kapazität 57.166) zum Eröffnungs-Clash der Titanen Chile gegen Norwegen, welches mit einem herzinfaktnahen 0:0 endete. Neben Norwegen waren mit Italien, Frankreich, Jugoslawien und Deutschland vier weitere Nationen aus Europa vertreten.

Das von Erich Ribbeck trainierte Team des DFB hatte sich aufgrund des Olympiaboykottes der Ostblockstaaten erst für das Turnier qualifizieren können. Die deutsche Mannschaft musste sich in Gruppe 3 nach Schlachten gegen Marokko (2:0 – Andi Brehme, Uwe Rahn) und Saudi-Arabien (6:0; wahrscheinlich 5x Klose) am Ende durch eine 0:1-Schlappe gegen Brasilien mit Platz zwei zufrieden geben. Im Viertelfinale folgte gegen Jugoslawien dann eine Schelle der üblen Sorte. 3x Cvetković, Radanović und Gračan schickten die DFB-Elf mit 5:2 zurück nach Frankfurt. Für die beiden Ehrentreffer sorgten Manfred Bockenfeld (180 Spiele Fortuna Düsseldorf) und Rudi Bommer (270 Spiele Fortuna Düsseldorf). Besonders bemerkenswert: Im Kader der Deutschen fand sich kein einziger Profi von Bayern München oder Borussia Dortmund wieder. Hingegen stellten Mannschaften wie Waldhof Mannheim drei (Dickgießer, Schön, Schlindwein), Fortuna Düsseldorf (Bockenfeld, Bommer) und Eintracht Braunschweig (Franke, Lux) zwei oder der VFL Bochum einen Akteur zur Verfügung. Das Turnier der Unturniere gewann am Ende Frankreich, das im Finale mit 2:0 über Brasilien siegte.

Übrigens: Borussia Dortmund war von Ribbecks Abschneiden dermaßen beeindruckt, dass der Verein ihn anschließend als neuen Cheftrainer verpflichtete. Der Quickie dauerte nur ein gefühlloses Jahr, die Mannschaft belegte mit nur einem Punkt vor den Relegationsplätzen Rang 14 und Ribbeck ging nach Leverkusen. Doch all dies ist mal wieder nur Thekenlaberrabarbar. André Buzin soll das nichts angehen. Seine Briefmarke ist, wie wir finden, eine der gelungensten Printstücke der Fußballgeschichte!

NESAtariC64Amiga

Briefmarken-Börse 2.0

Wer von euch besitzt Fußball-Briefmarken? Die Furche hat mal in den Regalen ihrer Kindheit gewühlt und sich entschlossen, die eigenen Reihen zu präsentieren. Wenn ihr ähnliche „Wertpapiere“ besitzt, könnt ihr sie uns gerne zum Veröffentlichen an unsere E-Mail-Adresse schicken!

FUND 1: Fritz Walter auf einer Briefmarke des Emirates Schardscha! Das genaue Herstellungsjahr ist uns leider nicht bekannt, jedoch muss es zwischen 1963 – 1972 gewesen sein, da Schardscha nur in diesem Zeitraum eigene Briefmarken druckte. Edition: „Champions of sport“. Und wer könnte diesen Titel besser tragen als unser Kapitän von ´54?!

Briefmarke Fritz Walter

 

„Ich saß auf den Schultern meines Bruders und war glücklich.“

Im Seminar “Fußballkultur revisited“ befassten sich Studierende der Uni Hildesheim mit der Sozialisation des runden Leders. Dabei entstanden u.a. einige fußballbiographische Zeilen, die wir euch nicht vorenthalten möchten. Wir beginnen mit “Familienbande“ von Alice Müller – über die beste Saison ihres Lebens, fehlenden Ehrgeiz und…Ak-po-bo-rie.

FAMILIENBANDE

Im Sommer 1996 war ich neuneinhalb. Mit neuneinhalb war ich ein halbes Jahr zu jung, um mit meinen drei älteren Geschwistern ins Ferienlager zu fahren. Mit neuneinhalb, beschloss mein Vater, sei ich genau im richtigen Alter, um das Gottlieb-Daimler-Stadion kennenzulernen. Und zwar am ersten Spieltag der Saison 1996/97.
Auf den 80 km Richtung Stuttgart strich ich immer wieder über die Dauerkarte meines Bruders und ordnete die Fransen des VfB-Schals meiner Schwester. Mein Vater erklärte mir die Sache mit Gelsenkirchen und Schalke, ich schaute nur stumm und aufgeregt aus dem Fenster.

In der U-Bahn zum Stadion sah ich zum ersten Mal die echten, lauten Fans. Keine Angst, sagte mein Vater und ich stolperte an seiner Hand an den Polizeipferden vorbei, die extra für uns die Straße absperrten. Im Stadion begrüßte mein Vater seine Sitznachbarn: Ich lernte Kalli und Günther kennen. Bei der Mannschaftsaufstellung rief ich die Namen der VfB-Spieler zögernd mit, (Günther nickte meinem Vater anerkennend zu), ich kannte sie alle aus dem Kicker. Soldo! Elber! Bobic! Balakov! Noch heute kitzelt mich bei Erwähnung dieser Namen eine glückliche Nervosität im Magen. Auch der Moment, in dem mein Körper wie von selbst vom Sitz hochgerissen wird und meine Arme unkontrolliert durch die Luft wirbeln, wird mich auf ewig faszinieren. Vier mal schrie ich in diesem Spiel Tooor! ohne meine eigene Stimme zu hören. Am Ende hatten wir gewonnen, ich sagte Tschüss zu Günther und dass ich jetzt wüsste, warum dieser Verein Schalke 0:4 hieße. Er zeigte seine gelben Zähne und befahl meinem Vater, mich unbedingt öfter mitzubringen.

Ich hatte mir eine hervorragende Saison ausgesucht, um VfB-Fan zu werden. Im nächsten Sommer war ich zehneinhalb und noch bevor ich ich ins Ferienlager fuhr, stand der VfB im DFB-Pokalfinale gegen Energie Cottbus. Ich saß mit meiner Mutter und meinen Schwestern vor dem Fernseher. Zur Feier des Tages gab es Eistee. Mein Vater war mit meinem Bruder nach Stuttgart gefahren, wo man auf dem Marktplatz eine Leinwand aufgebaut hatte. Der nächste Tag wurde der beste Sonntagsausflug meines Lebens: Wir fuhren alle zusammen noch einmal nach Stuttgart, um die Mannschaft und den Pokal auf dem Rathausplatz zu begrüßen. Meine Mutter kaufte mir und meinen Schwestern Balakov-, Bobic- und Elber-Shirts, die uns bis in die Kniekehlen hingen. Ich saß auf den Schultern meines Bruders und war glücklich.

Nach diesem Sommer ging Elber zu Bayern. Ich verstand das nicht. Elber zerstörte ohne mit der Wimper zu zucken das magische Dreieck. Meine aufblühende Fußballliebe bekam ihre ersten Kratzer. Und dann auch noch zu Bayern, sagte mein Bruder. Ich drehte meiner kleinen Schwester schnell das Elber-T-Shirt an und trug jetzt Balakov zum Schlafen. Ein guter Spieler, der Mittelfeldregisseur, klug und vor allen Dingen treu. Den Namen des neuen Stürmers konnten die Reporter und ich kaum aussprechen. Ak-po-bo-rie. Von mir aus. Ich wollte mich nicht so schnell versöhnen. Fußball? Konnte ich auch selbst spielen.

Für die Familienfeste, die im Garten meiner Großeltern gefeiert wurden, planten wir ausgefeilte Turniere. Teamnamen und Trikotfarben wurden bestimmt, die Zeit exakt gestoppt und gelbe Karten verteilt. Ich stand immer öfter im Tor. Weißt du, du bist echt gut im Tor, sagte mein Bruder. Ich glaubte ihm. Als meine kleine Schwester nach einem verlorenen Spiel jedoch bitterlich weinte, während ich mich nur auf den Kuchen freute, merkte ich, was mir zur Fußballspielerin vor allem fehlte: der Ehrgeiz.
Ich unternahm trotzdem noch einige Versuche, ein Fußballmädchen zu werden. Ausgerechnet an einem matschigen Novembertag begleitete ich eine Freundin zum Training ihrer Mädchenmannschaft. Es wurden Kopfbälle geübt. Durch den Regen zu traben und einen harten Ball an den Kopf zu bekommen, begeisterte mich nicht. Durchnässt gestand ich mir ein, dass ich Fußball lieber sah als spielte.

Anders meine kleine Schwester: Ihre Karriere begann mit gleichaltrigen Jungs in der F-Jugend, die ihr weit weniger Mühe bereiteten als der Dialekt des Trainers. Ich stand am Spielfeldrand und sah ihr dabei zu, wie sie ein paar Jahre später flink um große, dicke Mädchen herumtribbelte, die einfach nur den Ellbogen ausfuhren, während der Schiedsrichter mit den schlauen Papas quatschte. „Du scheiß fette Tonne!“ schrie ich mit Tränen in den Augen und war endlich wieder das, was ich sein wollte: Fan. Bin ich bis heute. Zumindest doch von meiner Schwester. Sie macht jetzt ihren Trainerschein, spart auf die neusten Schuhmodelle aus der Bundesliga und arbeitet beim Karlsruher SC, dem Erzrivalen des VfB.

Mein Vater kommt überraschend gut damit zurecht. Ist aber eben auch nicht seine Liga. Als es 2001 so aussah, als ob es bald mal wieder ein Stuttgart-Karlsruhe-Hass-Derby geben würde – der VfB nämlich um ein Haar in die zweite Bundesliga abgestiegen wäre – waren wir ausgerechnet am letzten Spieltag auf den 65. Geburtstag meines Großonkels geladen. Mein Vater verschwand für 90 Minuten vom Kuchenbuffet. Mit dem Taschenradio am Ohr fanden wir ihn später sehr erleichtert auf dem Spielplatz hinter dem Restaurant wieder.

Wenn es mich heute samstagnachmittags mal in eine Kneipe treibt, dann kenne ich kaum einen Namen auf dem Feld und bin genervt von den Sky-Kommentatoren. Zugegeben: Die Liebe meines Lebens ist der Fußball nicht geworden. Wir zwei sind eher wie Verwandte, die sich einander zwar nicht ausgesucht haben, sich aber auch nicht missen möchten. Denn wenn in Stuttgart ein Tor für uns fällt, kann ich mich immer noch tierisch freuen. Mir wird plötzlich ganz heiß im Gesicht, ich schreibe eine SMS nach Hause, denke an den Garten meiner Großeltern und an die Saison 96/97, der besten aller Zeiten.

Alice Müller, Uni Hildesheim, Juni 2013

Werkselfdiskurs mal anders

„Wir wollten dem Leser bei dem Projekt die Möglichkeit geben durch Interaktionen via Webreportage tiefer in die Story einzutauchen“. Die beiden Journalistik-Studenten Mathias und Benedikt untersuchten die Fanszene des FC Ingolstadt. Man muss also kein Werksclub-Prophet sein um zu erahnen, dass Identitätsprobleme und DNA-Suche keine minderwertigen Alltagsthemen sind. „Praxisarbeit“ heißt es im Universitären, „Reportage“ im Szenischen. Und genau dies ist den Jungs mehr als gelungen. Lesens-Sehens-Hörenswert!

Hier der Link: http://journalistik.ku.de/projekte/schanzer/

Ingolstadt_Projekt

Ein absolutes Muss!

Ausschreibung läuft!

Schreibwerkstatt der Furche #1

Wir würden gerne Texte von euch veröffentlichen. Nur soll es dabei nicht um Groundhopping, Spielberichte oder Kritisches gehen. Vielmehr möchten wir euch die Möglichkeit geben, der Fantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen.
Der Modus ist einfach: hin und wieder geben wir ein Bild vor. Zu diesem Bild kann von eurer Seite dann eine Geschichte verfasst werden, die ihr uns einfach binnen vierzehn Tagen an schottischefurche@yahoo.de zusendet. (Minimum: halbe Seite; Maximum: unbegrenzt) Wir schauen uns dann die Zusendungen an und entscheiden.

(Einsendeschluss ist Montag, der 27. Mai)

Zudem würden wir uns sehr freuen, wenn ihr die Idee per Twitter / Facebook-Button teilen oder per Email-Link (siehe unten) weiterleiten würdet, um möglichst viele Leser an der Sache zu beteiligen. Hier nun unser erstes Bild:

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Kampf der Kreisliga

Nein, die Welt der Asche ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Nicht jeder Huf vermag einer filigranen Technik zu entspringen. Schreiende Proleten aller Generationen bedienen sich der Stimmgewalt des fehlenden Linienrichters. Bei Verletzungen stürmen keine Müller-Wohlfahrts heran, sondern bestenfalls Ersatzspieler, die den Inhalt des lecken Eiskoffers nicht einmal kennen. Nein, Pobackenverbrennungen von Kunstrasenplätzen der ersten Generation, tränende Augen von Schmiercremerorgien in der Kabine und Zicke-zacke-zicke-zacke-hoi-hoi-hoi-Aftershowpartys unter kalten Duschen sind nicht jedermanns Sache. Und wer sich in diesen Gefilden noch nie aktiv oder passiv aufgehalten hat, bekommt wahrlich nicht viel zu hören außer Geschichten von alkoholausschwitzenden Gegenspielern oder gewissenlosen Wadenbeißern. Diese ganze, vom Hörensagen abgelaufene Backmischung wird nur noch durch ein biertrinkendes Rentnerpublikum ohne Verbalgrenzen glasiert.

Durchwühlt man zudem ausschließlich Massenmedien und wendet den Blick nicht völlig abseits der unterklassigen Fußlümmelei, springen einem Schlagzeilen wie „Tatort Kreisliga“, „Schlägerei mit Verletzten nach Kreisliga-Spiel“ oder „Amateurfußballer prügeln Schiedsrichter zu Tode“ geradezu ins Gesicht. Fazit: Das Image der deutschen Kreisklassen sinkt seit Mitte 2010 beträchtlich. Damals sorgte ein Artikel der Süddeutschen Zeitung für Aufsehen, indem ein Spiel wegen einer Massenschlägerei abgebrochen wurde. Nur ein Jahr später scheint sich die Gewalt in Kreisklassen zu determinieren. So titelt die RuhrNachrichten Mitte Mai 2012, als ein Spiel in Schwerte im Polizeieinsatz endet: „Erneut Ausschreitungen in der Kreisliga“. Wiederhole: erneut. Die Kreisligen stehen von nun an im Fokus sämtlicher, nicht selten provinzieller, Tagesblätter. Journalisten, die früher Jahreshauptversammlungen mieden und diese u.a. wegen Tagesordnungspunkten wie „Ehrungen“ als lästig empfanden, rücken plötzlich in „Problemspielen“ (WDR Inside) freiwillig an. Eine Welle der Empörung schwillt seitdem unaufhaltsam durch die Gesellschaft, getragen durch die ständige Litanei an den DFB, das „Problem viel zu lange verkannt“ zu haben. Der biertrinkende Kreisklassen-Krakeleer aus Halbzeit drei hatte scheinbar endlich die Aufmerksamkeit, die ihm sonst nie zugesprochen wurde. Fazit Nummer zwei: alle Kreisligen im gesamten Bundesgebiet sind gleich, haben identische Probleme und stehen für ausufernde Aggressionen, besonders gegenüber Schiedsrichtern. Ausnahmen bestätigen die Regel. Alle Angaben natürlich mit Gewehr.

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(Foto: SV Feudingen, Tannenwaldstadion; Kreisliga A)

Doch wer oder was ist eigentlich diese Kreisliga?! Für den Laien klingt dieses befremdliche Wort wie ein grässliches Wort. Ein Klingelwort wie „Katar“. Ein Schimpfwort wie „Sepp“. Ein Zyklop wie „Hoyzer“. Im Gegenteil. Es ist weitaus mehr als Kippen, Bier und Schlägereien. Keineswegs sollen hier Tatsachen in Frage gestellt werden oder Medien für ihre Spießroutenschreiberei verurteilt werden. Formen fragwürdiger Berichterstattung soll hier kein Thema werden. Auch das Thema „Gewalt“ ist in keinster Weise zu relativieren, geschweige denn zu beschönigen. Besonders die unfassbare Attacke dreier Amateurfußballer in den Niederlanden, die Anfang Dezember zum Tod eines Schiedsrichters führte, sorgte für Entsetzen. Trotz dieser Tragödien wäre es töricht mit dem Brandeisen über die Länder zu wetzen und die Vereine an ihre Verantwortung zu erinnern.

Es gibt nämlich eine Kehrseite der achso rostigen Medaille. Leider, das muss man indessen zugestehen, sind Themen wie „Ehrenamt“, „Gemeinschaft“ oder schlichtweg „Bewegung“ nicht gerade mediale Gassenhauer. Doch würde es sehr erfreuen, wenn die Arbeit in unterklassigen Vereinen nicht bloß degradiert oder auf Gewalt und Ausschreitungen reduziert würde. Die nette Dame, die heißen Kaffee ausschenkt und sich zum Waffeleisen umdreht. Der Kassenwart, der sich die Böschung für die paar Penunsen hinauf quält. Die Mutter von Spieler X, die ihren Waschkeller freimacht um die verdreckten Trikots zu waschen. Das Zigarillo-Original, das zu jedem Auswärtsspiel mit seinem Herkules-Moped hinterher eiert. Die „freien“ Samstage, an denen Hacke und Rechen solidarisch zum Arbeitseinsatz laden. Der Ersatzspieler der Reserve, der nebenbei fünzehn E-Jugendliche trainiert. Oder die „arme Sau“, deren letzte Aufgabe nach dem Spülen der Gläser darin besteht, den Kabinenboden zu putzen, weil die eingeteilten Spieler Y und Z nach der 0:4-Heimschlappe keine Lust mehr dazu hatten. Die Liste dieser Beispiele ist lang. Sehr lang. Vielleicht sogar unendlich. Aber vor allem stehen diese Dinge für weitaus mehr als Gewalt und Alkoholismus bis in den Werktag hinein.

2012 zählte der DFB 25.641 Vereine, in denen insgesamt 6.800.128 Mitglieder aktiv sind. Die meisten der heute aktiven Profis begannen in kleinen Vereinen, deren Seniorenmannschaften alles andere als Bundesligisten sind. Wie in allen sozialen Gruppen befinden sich auch in Vereinen des Fußballs nicht wenige Krethi und Plethi. Ende März griff ein 21jähriger Spieler des Polizei-Sportvereins Trier einen Gegenspieler derart an, dass dieser noch auf dem Platz von Rettungskräften und Notarzt behandeln werden musste. Trier reagierte umgehend und schloss den Täter aus dem Verein aus. Derartige Taten sind zu verurteilen. Den Bogen jedoch pauschal in Richtung Vereinswesen zu spannen oder das ganze Thema mit dem Begriff „Kreisliga“ zu torpedieren, ist absolut inakzeptabel. „Kreisliga“ ist weder eine Lachnummer noch ein Kriegsschauplatz, sondern eine in erster Linie gemeinschaftsstiftende Sozialstruktur, die durch den Sport lebt und gefördert wird. Es wäre an der Zeit, dass der DFB dies in deutlicher Form der Öffentlichkeit mitteilt um die Vereine im Amateurbereich vor dem Visier der Medien zu schützen.

hrp

8bit Football

1860 machte es vor!

HSV verliert 9:2 in München? Nichts Einmaliges! Am 07. März 1964 schenkten Max Merkels Löwen der Seeler-Elf vor 40.000 Zuschauern an der Grünwalder Straße ebenfalls neun Stück ein! Beinahe noch unglaublicher: „Torwart Radi Radenkovic nutzte den beruhigenden Spielstand nach einer guten Stunde zu einem Sololauf bis in die gegnerische Hälfte, ehe ihn Charly Dörfel mit einem Foul stoppte.“

50 Jahre Bundesliga – wir lieben dich!

(Danke an Stefan Fietzek für das Zumailen der Eintrittskarte, dessen Vater das Spektakel damals live vor Ort sah.)

1860-HSV_07031964

01:31 Uhr – „Knock knock.“

Zlatans Zeit in Malmö

Upgrade Currywurst

Anonyme Klarheiten

Zeitloser Hauptmann

Ein Kurzfilm so wunderbar!

11mm-Fußballfilmfestival

Heute startet in Berlin endlich das 11mm-Fußballfilmfestival!
Bis Dienstag könnt ihr im Babylon-Kino Spielfilme, Dokumentationen oder Kurzfilme bestaunen. Von „Tom meets Zizou“ über „Looking for Eric“ bis „Maradona by Kusturica“ sind alle Größen vertreten.
Da gestern der 50malige kolumbianische Nationalspieler Andrés Escobar 46 Jahre alt geworden wäre (ermordet nach seinem Eigentor bei der WM ´94), möchten wir euch an dieser Stelle die preisgekrönte Dokumentation „The Two Escobars“ von Jeff und Michael Zimbalist wärmstens empfehlen. Hier der Trailer zu einer unserer Meinung nach besten Dokus der Fußballkultur! Auf 11mm läuft der Film übrigens am Samstag um 21:15Uhr. Wenn ihr also in Berlin seid oder wohnt – ein Besuch lohnt sich! (Infos und Programm findet ihr hier: http://www.11-mm.de)

Rubrik: Zeilen aus der Herzgegend. Heute: „Fever Pitch“ von Nick Hornby

Liebe Kinder,
es ist egal welcher Verein gerade erfolgreich ist, ob die Vereinsfarben rosa oder lila glänzen oder wo die bekanntesten Stars das meiste Geld verdienen. Und es ist auch egal, was eure Mitschüler darüber denken, dass euer Lieblingsverein in fast jedem Spiel als Verlierer vom Platz schreitet oder wie viele aktuelle Trikots des Deutschen Meisters durch den Sportunterricht fegen. Ganz egal wie einsam das Ganze vielleicht wird – verliert nie den Glauben. Im Fußball können sich die Zeiten nämlich ziemlich schnell ändern:

FeverPitch_Arsenal_vs_WestHam

Zeilen aus der Herzgegend. Heute: Flucht zur Ekstase