Kommentar zum 11FREUNDE-Artikel „Was uns wichtig ist“

Ein User verlinkte den veröffentlichten Text mit dem einleitenden Satz: „11Freunde nimmt Stellung zu Hasskommentaren“. Genau darum geht es nicht. Das Magazin muss keine Stellung beziehen. Schon gar nicht zu dem Irrsinn, dass Fußball „nur“ Fußball und eben keine Politik sei.

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Fußball war und ist nämlich genau das: Sport, Kultur und Politik. Wer das nicht wahrhaben will, sollte sich dringend ein Geschichtsbuch zulegen. Unser geliebtes Rundes Leder wurde im Kaiserreich als „undeutsche Engländerei“ diffamiert, im Nationalsozialismus als arische Stärke instrumentalisiert, war im „100-Stunden-Krieg“ Auslöser von Gefechten zwischen Honduras und El Salvador mit 1200 Toten und wird heute als Werbeträger von seinen eigenen Verbänden benutzt und weggeworfen. Immer wieder auf das friedliche Miteinander hinzuweisen gehört deshalb in jede Kurve dieser Welt, in den Mund eines jeden mündigen Fans und erst recht auf die Tastatur von Journalisten.

Wenn ein Fußballmagazin wie 11Freunde wegen eines Posts angefeindet, beschimpft, ja gar bedroht wird, weil es ein „Refugees Welcome“-Banner von Werder Bremen Fans zeigt, sollten bei allen Journalisten, Bloggern und Redakteuren die Alarmglocken läuten. Das Magazin „nimmt keine Stellung“, sondern unterschreibt „Was uns wichtig ist“ im Namen aller MitarbeiterInnen und tut damit etwas, das definitiv „wichtig“ ist: es wehrt sich.

Selbst unser kleiner Blog steht regelmäßig vor der Frage, ob man auf die in Dummheit getränkten Mails oder Kommentare antworten oder diese doch besser direkt blocken, ignorieren oder löschen sollte. Letzterer Vorgang fällt nie leicht und stellt ein Paradoxon dar, steht man schließlich mit jeder veröffentlichen Zeile hinter dem Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Mehr noch – man glaubt an ihn. Eine Meinung zu „löschen“ greift deshalb das Gewissen an. Immer. Doch handelt es sich hierbei nicht um Meinung, sondern um Hetze und Diffamierung.

Ein Beispiel: 2015 lief auf ARTE der Dreiteiler „Nordkurve“ an. Wir verlinkten den Trailer und wiesen auf den Sendetermin hin. Neben einem Mord handelt die Serie vor allem von privaten Problemen, die sich äquivalent zu denen in Verein und Fanszene verhalten. Unter anderem thematisiert das Drama, wie ein junger Fan an seiner Homosexualität fast zu Grunde geht. Es dauerte keine zehn Minuten nach Sendeausstrahlung bis zum ersten Kommentar („Was hat diese ganze Schwuchtelscheiße mit Fußball zu tun!?“) und keine zwanzig bis zum nächsten geistfreien Hieb („Wahrscheinlich seid ihr auch schwul, sonst würdet ihr so ein Schwachsinn nicht ankündigen“). Die „persönlichen Nachrichten“ mit den Usern führten in eine Richtung, die man eigentlich vor Gericht hätte weiterführen müssen.

Nun ist unser Blog in etwa so groß wie die Betreffzeile von 11Freunde. Man kann sich also in etwa vorstellen, was ein Magazin wie dieses (80.000er Auflage, 400.000 Abonnenten auf Facebook, 130.000 Follower bei Twitter) an Hasskommentaren und Drohungen aushalten muss. Daher gebührt es dem seit 2000 erscheinenden Blatt Respekt auszusprechen. Denn mit dem Artikel ist man im Hause Köster auch der Gewissheit entgegengetreten dem digitalen Mob eine weitere Breitseite anzubieten. Doch sagte man sich: Sollen sie doch. Sollen sie weiterhin versuchen unsere Zeilen und Bilder an den Pranger/ Galgen zu bringen. Egal.

11Freunde hat Haltung gezeigt und nur das zählt. Die Redaktion ist (endlich) eingesprungen für Fußball, Kultur, Politik – und für Menschen, die an die „universelle Sprache“ dieses Sports glauben.

hrp

P.S.: „NACHTRAG: Um 16:59 Uhr haben wir die Kommentare unter diesem Artikel abgeschaltet, weil es keine Diskussion zum Thema gab, sondern nur eine sinnlose Aneinanderreihung von Beleidungen, Beschimpfungen und Drohungen. Danke an alle Leser, die versucht haben, dagegen zu halten und uns auch in unserer Meinung bestärkt haben.“ (11Freunde)

Ein Kommentar

  1. Soeben

    Haja, herrlich dieses Statement zu lesen – da fühlt man sich doch wieder ein bisschen mehr mit 11Freunde verbunden, ein Blatt das sich (wie ich finde) zuletzt in konsensualer Fußball-Nostalgie verloren hatte. Zeit wird’s, dass sich die Redaktionen Gedanken machen, ob sie Plattform für Hetzereien sein wollen. (Gerade auch bei unserer Lokalplattform Nordbayern.de geschehen). Bleibt zu hoffen, dass sich dafür alle die entsprechenden Normen aus dem Grundgesetz (gerne auch Art. 19/20 aus dem Pakt für zivile und bürgerliche (Menschen)Rechte) zu Herzen nehmen. Wenn es nicht mehr quält, Grenzwertiges zu löschen, laufen wir Gefahr uns Vieles kaputt zu machen. Schön, dass Ihr es aushaltet!

    Whatever, zu meckern werde ICH immer etwas haben. Eine Redaktion unterschreibt und besteht nur aus Männern. Da geht noch was in Sachen Glaubwürdigkeit.

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